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- Einblicke -

Februar 2017 - Droku / Die Sicht eines Feindes

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22. Morgenröte 2. Ä 585

Nordsiedlung, südwestliche Grenze von Ostmarsch, nahe eines Gebirgspasses.
Der Abend nahte bereits und tauchte die nordische Landschaft in tiefes Dämmerlicht. Der Winter war noch immer in vollen Zügen tätig und Schnee fiel in kleinen Flocken vom bewölkten Himmel. In der kleinen Siedlung herrschte das, zu dieser Jahreszeit übliche Treiben. Hauptsächlich widmete man sich den Arbeiten, für welche man sonst im Jahr keine Zeit gefunden hatte und machte sich nun, da die Nacht herein zu brechen drohte, daran die Tiere zu versorgen und die letzten Arbeiten abzuschliessen. Doch während die Schwärze zunehmend näher rückte, bemerkte noch niemand, wie unweit vom Gebirge her die Flut losgebrochen war und zusammen mit der Dunkelheit ein ganz anderer Schatten zu wachsen begann.

Das Trampeln schwerer Stiefel und das Schnauben massiger Gestalten erfüllte kaum zwei Kilometer entfernt die Luft, als die kleine Heerschar der Orks auf Geheiss ihres Häuptlings hin losgebrochen war. Unaufhaltsam preschten die Kreaturen vorwärts und bahnten sich eine Schneise durch den hohen Schnee, welcher ihre Schritte abdämpfte. Immer weiter führte ihr Weg hinab ins tiefer liegende Land, während sie ihr eigenes Lager am Fuße des nahen Gebirgspasses aufgeschlagen hatten. Bald schon waren die Lichter der Siedlung zu sehen, welche nichtsahnend und abseits anderer Zivilisation inmitten von Hügeln und gesäumt von verschneiten Wäldern lag.

Die Änderung kam mit dem Feuer. Gerade hatte man die letzten Vorbereitungen für die Nacht getroffen, da weckte plötzlich ein Schrei das Dorf aus seinem winterlichen Schlummer. Mehrere Gestalten, die herangeeilt kamen, sahen rasch was geschehen war. Durch irgendeine schreckliche Begebenheit hatte die große Scheune offenbar Feuer gefangen, während die darin angebundenen Ziegen panisch und laut meckerten. An ein Missgeschick war kaum zu denken, denn so rasch breiteten sich die Flammen aus, dass die Scheune zu löschen sich als beinahe unmögliches Unterfangen herausstellte, doch lag dies wohl nicht zuletzt daran, dass der Gutteil der Heu- und Strohvorräte darin eingelagert waren. Dennoch eilten Personen mit Wassereimern hin und her und versuchten ihr Bestes, um den Schaden zu verhindern. Andere rannten in Häuser und riefen in ihrem ländlichen Dialekt Familienmitglieder herbei und zwei besonders mutige Bauern begaben sich in das brennende Gebäude, um die angebundenen Ziegen zu befreien. Durch all diesen Aufruhr unbemerkt geblieben, bahnte sich die eigentliche Gefahr einen Weg unmittelbar in die Siedlung hinein.

Trampelnd und schnaufend stürmten die Orks von der nördlich gelegenen Seite in das Dorf hinein und schlugen augenblicklich alles und jeden nieder, was ihnen vor die Hauer kam. Einfache Siedler, noch ohne überhaupt eine Ahnung davon zu haben was geschehen sein mochte, wurden durch die Invasoren überrascht und niedergestreckt, während der Großteil der Dorfbevölkerung um die brennende Scheune im Westen versammelt stand. Noch ehe man wirklich begriffen hatte, was geschehen war, standen die Orks im Dorf. Die Blutlust stand ihnen ins Gesicht geschrieben, während sie ihre
schartigen Klingen, gezackten Äxte und mit Dornen bewehrten Keulen schwangen und bereits begannen in erste Häuser vor zu dringen, deren überraschte Bewohner ein schlimmes Ende fanden. Doch trotz des verwundbaren Ablenkungsmanövers an der Scheune war die Verteidigung auffallend schnell organisiert, als man begriffen hatte, woher die wahre Bedrohung rührte. Wenngleich die Siedlung zum Großteil Bauern und Handwerker und nur wenige Krieger beherbergte, so wussten die Siedler sich offenbar dennoch auffallend rasch zu helfen. Die meisten von ihnen waren im Kampf erprobt, schliesslich mussten sie ihr Dorf bereits mehrfach verteidigen, ob nun gegen wilde Tiere oder einfallende Banditen. Erste Verteidiger warfen sich den Orks todesmutig entgegen, während das ganze Dorf zunehmend in Alarmbereitschaft versetzt wurde.

Doch die Scheune war nur der erste Trick gewesen, denn kaum hatte man sich den Orks zugewandt und jene als Bedrohung fixiert, surrten todbringende Geschosse aus der Dunkelheit hervor. Schartige, grob gearbeitete Pfeile mit ekelhaft gezackten und Gift beschmierten Spitzen aus dunklem Metall regneten neben den Schneeflocken vom dunklen Nachthimmel. Die Projektile waren nicht sonderlich zielsicher abgefeuert und folgten ebenfalls nicht dem typischen Muster einer Salve, doch brachen sie verheerend in den Rücken derer, welche sich noch zu nah an der Scheune befunden hatten. Mehrere Pfeile schlugen nutzlos in den Boden oder in Holzbalken ein, doch manche trafen Personen. Einer bohrte sich in die Hand eines Mannes, der sein Schwert augenblicklich fallen liess, während ein anderer sich in den dicken Wanzt eines Bauern frass und ein dritter eine Verteidigerin zwischen den Schulterblättern erwischte und augenblicklich niederstreckte. Ein irres, triumphierendes Gejaule und Gekecker vom Rand des Dorfes mischte sich in die Schreie der Getroffenen. Der kleine Goblintrupp, welcher für die Pfeile verantwortlich war, wurde offenbar gut positioniert, sodass sie die vom Licht erhellten Verteidiger gut sehen konnten, selbst jedoch im Schatten kaum erkannt wurden, während sie ihre giftigen Projektile weiter abfeuerten.

Auf der anderen Seite des Dorfes ging der Kampf indes weiter, als vereinzelte Verteidiger mit einfachen Äxten oder Schwert und Schild versuchten gegen die einfallende Bedrohung an zu kommen. Eine Frau hetzte ihre drei großen Wolfshunde auf die Ungetüme und einen Moment schien es beinahe so, als könne man die Kreaturen in Schach halten, doch als die Verstärkung von der Scheune aufgrund der Pfeile ausblieb, wurde es zunehmend düsterer.

Mehr als eine Minute lang terrorisierten die Pfeile diejenigen, welche unschlüssig herumstanden oder sich auf freiem Feld befanden, sodass die Scheune ohne weitere Löschung in ein gewaltiges Leuchtfeuer ausbrach und während der Dorfplatz bereits von Leichen und Blutlachen gezeichnet war, schien es einen Moment so, als gäbe es keine Hoffnung mehr. Die letzten Verteidiger, die den Orks gegenüberstanden, drohten alsbald von ihren Häschern niedergemacht zu werden. Doch wie aus dem Nichts baute sich plötzlich ein Schildwall von heran eilenden Personen auf und bewahrte die restlichen Überlebenden bei der Scheune vor den bösartigen Projektilen, während sie sich rasch unter dem Schutz der Schilde zurückzogen. Tatsächlich schien jene Verteidigungshaltung auffallend rasch gebildet worden zu sein, denn nur die wenigsten der Verteidiger waren wirkliche Krieger oder gut gerüstet. Bauern, Hausfrauen, Arbeiter, jeder der einen Schild führen konnte, hatte sich offenbar in der Formation eingefunden, teilweise in hastig angezogener Rüstung, teilweise noch in einfache Arbeits- oder Schlafgewänder gehüllt. Weitere Personen hasteten aus einigen der nahen Häuser, welche noch nicht zum Opfer der Invasoren gefallen waren und reihten sich in die Formation ein, während der Pfeilbeschuss der Goblins nun nahezu nutzlos an ihnen abprallte.

Noch während jener Schildwall sich formte erklang ein dumpfes, durchdringendes Hallen eines mächtigen Hornstosses. Auf jenen Laut hin schienen sich die einfallenden Orks sehr plötzlich zurück zu ziehen, eilten aus nahen Häusern, die bereits Opfer erster Plünderungen geworden waren und lösten sich von den letzten Scharmützeln mit den wenigen verirrten Verteidigern, die noch vorhanden waren. Was zuerst wie ein Rückzug anmutete, war in Wirklichkeit jedoch nur ebenfalls eine Neuformierung, nur dieses mal seitens der Orks. Wenngleich sie keinen Schildwall besassen, so drängten sie sich rasch zu einer dunklen und todbringenden Masse zusammen und warteten das Näherrücken der Verteidiger ab, welche mit den Schwertern gegen ihre Schilde schlugen und sich den Ungetümen langsam und in enger Formation näherten. Was nun folgte, würde zweifelsfrei entscheidend sein und während die Nord sich mit Kampflauten selbst anspornten und die Orks blutrünstig ihre Fänge bleckten und brüllten, erhob sich eine massige Gestalt, welche bis vor Kurzem noch am Boden kauerte. In der Bewegung schien die riesenhafte Gestalt des orkischen Hünen, welche zuvor in das Horn gestossen hatte, einen gewaltigen Felsbrocken empor zu stemmen und schleuderte ihn im nächsten Moment in die Richtung des Schildwalls, welcher die Orks in wenigen Augenblicken erreicht zu haben drohte. Krachend ging der Stein nieder und brach eine Lücke in den Verteidigungswall. Weder der Schild, noch der Helm konnte den Getroffenen vor seinem Schicksal bewahren und keinen Schrei war er fähig auszustossen. Was dann folgte, war ein heilloses Gemetzel. Als hätten die Orks auf jenen Moment gewartet, brachen sie vor und warfen sich der für einen Moment verwundbar gewordenen Formation entgegen, schlugen eine Schneise in die Verteidiger hinein, welche ihrerseits in jenem Augenblick zum Angriff übersetzten. Schwerter schlugen auf Rüstungen, Hämmer hieben auf Schilde, Klingen drangen in Fleisch und Äxte spalteten Knochen.

Die Schlacht war geschlagen und obschon die Orks zahlenmässig nicht an die Siedler heranreichten und trotz der Tatsache, dass viele der grünen Kreaturen unter den entschlossenen Hieben der verbitterten Verteidiger niedergingen, nahm es ein böses Ende für die Menschen. Einige wenige Gestalten waren gekommen, während hier und da noch kleine Zweikämpfe herrschten und die Orks offenbar versuchten jene, welche noch immer standen, als Gefangene zu nehmen, was jedoch nur selten ohne tödlichen Ausgang gelang. Mit den Verwundeten wurde kurzer Prozess gemacht und was man in der Siedlung fand, behielt man als Eroberungsgut. Doch war damit die Blutlust der Orks keineswegs befriedigt, deren Feuer sich bald auch auf die anderen Häuser ausbreiteten und welche brüllend den Namen Malacaths in die Nacht herausschrien. Dies war gerade erst der Anfang.

Die wenigen welche entkommen sind, werden berichten können.

Mai - Bhrea

Aus dem Tagebuch der Bärin von Jernheim I.

Jun - Bhrea

Aus dem Tagebuch der Bärin von Jernheim II.

Jun - Bhrea

Aus dem Tagebuch der Bärin von Jernheim III.

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